In der Zusammenarbeit mit Künstler*innen, deren Ideen sich frei von thematischen oder gar ideologischen Vorgaben entfalten können, entwickelt sich ECLAT immer mehr zum Festival der Eigen- und Koproduktionen. 2023 sind auf sieben verschiedenen Bühnen im Stuttgarter Theaterhaus konzertante, theatrale, installative, immersive, hybride und multiperspektivische Projekte zu erleben, die Positionen heutigen Kunstschaffens reflektieren. Ein Teil dieser Veranstaltungen wird auch im Live-Stream erlebbar sein.
Als feiner roter Faden zieht sich die Auseinandersetzung mit Sprache und ihrem semantischen wie klanglichen Gehalt durch das Festival. Dabei zeigen die POETRY AFFAIRS, die fünf Dichterinnen und fünf Komponist*innen mit den Neuen Vocalsolisten zusammenführen, an jedem Festivaltag Miniaturen möglicher sprachlich-musikalisch-performativer Allianzen. Das archaisch-Rezitativische steht im Vordergrund des neuen Musiktheaters „Philoktet“ von Samir Odeh-Tamimi nach Sophokles, Heiner Müller und André Gide, während die Sprache in einigen szenischen Instrumentalwerken die kommunikative Meta-Ebene bildet. Und nicht zuletzt werden auch die Grenzbereiche zum Jazz und zu Improvisation auf vielfache Weise im Festival ausgelotet.
Darüber hinaus wird die seit einigen Jahren bestehende intensive Zusammenarbeit von ECLAT mit osteuropäischen Künstler*innen mit der Premiere der digitalen platformB fortgesetzt.
Ausführliche Informationen zu ECLAT 2023 unter
www.eclat.org
Für POETRY AFFAIRS erkunden fünf Dichterinnen und fünf Komponist*innen gemeinsam mit den Neuen Vocalsolisten die Beziehungen von Sprache, Komposition und Vokalkunst. In Mikrostories, szenischen Lesungen und Liedern kosten sie alle Möglichkeiten aus, die drei Genres miteinander zu verbinden. Fünf Kurzperformances der POETRY AFFAIRS eröffnen die fünf Festivalabende und lassen die hybride Begegnung von Musik und Lyrik erahnen, die die 17-köpfige Künstler-Gemeinschaft im Laufe des kommenden Jahres zu einer großen Erzählung ausgestalten und bei ECLAT 2024 zur Uraufführung bringen wird.
»Wie minimal aber viel mehr Noten wie Videospiele aber mit mehr Gesang wie Jazz aber viel schwuler wie alte schwule Musik aber aktueller wie lecker-süß aber mehr klebrig wie Farbe […] wie Schlagzeug und Traummusik.« Alex Paxtons Genre-sprengendes Werk eröffnet das Konzert–und zugleich ein Festival der vielfältigen Grenzüberschreitungen.
»Worauf es wirklich ankommt, ist, dass niemand gleichgültig bleibt.« (Milica Djordjevic)
Eine Choreografie für drei Instrumentengruppen vermittelt den Eindruck eines sich ständig bewegenden Klangs, »als ob unsichtbare schwingende Saiten sich im freien Fall krümmen würden«.
Fünf Dichterinnen und fünf Komponist*innen aus 10 Ländern erkunden gemeinsam mit den Neuen Vocalsolisten die Beziehungen von Sprache, Komposition und Vokalkunst. In Mikrostories, szenischen Lesungen und Liedern kosten sie alle Möglichkeiten aus, die drei Genres miteinander zu verbinden. Fünf Kurzperformances der POETRY AFFAIRS eröffnen die fünf Festivalabende und lassen die hybride Begegnung von Musik und Lyrik erahnen, die die 17-köpfige Künstler-Gemeinschaft im Laufe des kommenden Jahres zu einem großen Narrativ ausgestalten und bei ECLAT 2024 zur Uraufführung bringen wird.
Musiktheater nach den Dramen von Sophokles, Heiner Müller und André Gide (2022) UA
Komposition und Bühnenkonzept: Samir Odeh-Tamimi
Als stetigen »Flirt zwischen Konsonanz und Dissonanz« erforscht Aya Metwalli die Zwischentöne arabischer Skalen und Modi. Tony Elieh »tänzelt zwischen Rhythmus, dichten Texturen, stark melodischen Basslinien und der kompletten Dekonstruktion von Melodie und Taktart mit Hilfe von Elektronik hin und her«. Ordnung und Chaos sind bei Los Panteros dicht miteinander verwoben.
Fünf Dichterinnen und fünf Komponist*innen aus 10 Ländern erkunden gemeinsam mit den Neuen Vocalsolisten die Beziehungen von Sprache, Komposition und Vokalkunst. In Mikrostories, szenischen Lesungen und Liedern kosten sie alle Möglichkeiten aus, die drei Genres miteinander zu verbinden. Fünf Kurzperformances der POETRY AFFAIRS eröffnen die fünf Festivalabende und lassen die hybride Begegnung von Musik und Lyrik erahnen, die die 17-köpfige Künstler-Gemeinschaft im Laufe des kommenden Jahres zu einem großen Narrativ ausgestalten und bei ECLAT 2024 zur Uraufführung bringen wird.
Starke Gesten, Entschlossenheit, Risikobereitschaft–so könnte man die Eigenschaften benennen, die die drei Komponist*innen des Abends verbinden. Drei gute Bekannte und einen begnadeten Solisten bringt das SWR Symphonieorchester in diesem Jahr zu ECLAT. Mit den Konzerten seiner beiden Klangkörper trägt der SWR als Kooperationspartner des Festivals stets zu einem breiten Spektrum der musikalischen Genres bei.
Ein wechselseitiger Lernprozess zwischen dem Ensemble Garage und einer künstlichen Intelligenz UA
An der (Zusammen-)Arbeit mit neuronalen Netzwerken schätzt Genoël von Lilienstern das Unkalkulierbare, den »Glitch«.
platformB ist eine digitale Bühne, die den Computer-Bildschirm als eigenständigen performativen und installativen Raum nutzt und dadurch neue Kunsterlebnisse eröffnet.
platformB ist ein Produktions- und Diskurs-Raum für Exil-Künstler*innen aus Belarus, der Ukraine und Russland. Sie dient der freien Entfaltung der Künste und gibt dem individuellen künstlerischen Ausdruck ebenso Raum wie interdisziplinären Diskursen. Grundlage dieses hybriden Kunst-Raums sind experimentelle digitale Formate der Ton-, Bild-, Text- und Videogestaltung.
Fünf Dichterinnen und fünf Komponist*innen aus 10 Ländern erkunden gemeinsam mit den Neuen Vocalsolisten die Beziehungen von Sprache, Komposition und Vokalkunst. In Mikrostories, szenischen Lesungen und Liedern kosten sie alle Möglichkeiten aus, die drei Genres miteinander zu verbinden. Fünf Kurzperformances der POETRY AFFAIRS eröffnen die fünf Festivalabende und lassen die hybride Begegnung von Musik und Lyrik erahnen, die die 17-köpfige Künstler-Gemeinschaft im Laufe des kommenden Jahres zu einem großen Narrativ ausgestalten und bei ECLAT 2024 zur Uraufführung bringen wird.
Ursula Andkjaer Olsens Gedichte über den weiblichen Körper im biologischen und emotionalen Kreislauf des Lebens offenbaren unser Eingebundensein in universale Fragen und Prozesse menschlicher Koexistenz.
Juliana Hodkinson übersetzt das Bild in eine hyper-polyphone, mit Ambient Drones aufgeladene elektroakustische Klangerzählung, die das Publikum und die Performerin förmlich umspinnt.
Das Mivos Quartet schließt an sein vielbeachtetes ECLAT-Debut vor vier Jahren an und bringt Komponist*innen aus seinem New Yorker Umfeld zwischen Columbia Campus und experimenteller Szene nach Stuttgart, darunter den Jazz-Trompeter und Komponisten Ambrose Akinmusire, der »stets über sich selbst, sein Instrument, das Genre, die Form, vorgefasste Meinungen und alles andere hinausgeht, was ihm Grenzen setzt.«
Das spielfreudige Trio Catch ist wieder Gast und Gegenüber des SWR Vokalensembles. Drei neue Vokalwerke entwickeln sich vor allem aus dem Sprachgestus. Während die Jüngeren auf historische Bezüge vom Mittelalter bis zur Neuzeit setzen, komponiert Altmeister Aperghis Fragmente unserer Gegenwartssprache vom abgedroschenen Sprichwort bis zur Internet-Hate Speech zu einer virtuosen Collage.
Ein Spiel mit Paradoxien und Missverständnissen, bei dem die Wahrnehmung des Publikums in der großen Sporthalle des Theaterhauses ständig neu gelenkt wird. Der brasilianische Komponist entwickelt ein subtiles Szenario dafür, wie durch Verwirrung, Umformung und Manipulation von Nachrichten eine neue Form der Zensur entsteht.
Ursula Andkjaer Olsens Gedichte über den weiblichen Körper im biologischen und emotionalen Kreislauf des Lebens offenbaren unser Eingebundensein in universale Fragen und Prozesse menschlicher Koexistenz.
Juliana Hodkinson übersetzt das Bild in eine hyper-polyphone, mit Ambient Drones aufgeladene elektroakustische Klangerzählung, die das Publikum und die Performerin förmlich umspinnt.
»Tis Nature´s Voice–as in a borrowed life«
Performance für Countertenor und ElektronikUA
von und mit Daniel Gloger und Dariya Maminova
mit Texten von Luljeta Lleshanaku
Fünf Dichterinnen und fünf Komponist*innen aus 10 Ländern erkunden gemeinsam mit den Neuen Vocalsolisten die Beziehungen von Sprache, Komposition und Vokalkunst. In Mikrostories, szenischen Lesungen und Liedern kosten sie alle Möglichkeiten aus, die drei Genres miteinander zu verbinden. Fünf Kurzperformances der POETRY AFFAIRS eröffnen die fünf Festivalabende und lassen die hybride Begegnung von Musik und Lyrik erahnen, die die 17-köpfige Künstler-Gemeinschaft im Laufe des kommenden Jahres zu einem großen Narrativ ausgestalten und bei ECLAT 2024 zur Uraufführung bringen wird.
Dichterinnen
Maria Barnas, Vera Burlak, Luljeta Lleshanaku, Deryn Rees-Jones, Cia Rinne
Komponist:innen
Severin Dornier, Bnaya Halperin-Kaddari, Dariya Maminova, Georgia Koumara, Gemma Raguès Pujol
Zwei Meister ihres Fachs, verlässlich begleitet durch die Klangregisseure des Pariser IRCAM, präsentieren drei sehr unterschiedliche Erkundungen der Beziehung zwischen Soloinstrument und Elektronik. Sie erzählen von kultureller Erfahrung und Erinnerung, von musikalischer Umarmung und Verschmelzung, aber auch von Unterschieden und Autonomie.
Mit ungreifbar schwebenden Klängen, die dem Gitarrenquartett dank Superball und Stimmgabel entlockt werden, eröffnet Andrés Nuño de Buen das Preisträgerkonzert. Rama Gottfried imaginiert ein mikroskopisches Theater von hybriden, der Plastisphäre entsprungenen Kreaturen, die mit den menschlichen Darstellern interagieren. Eine Dreicksbeziehung, die aus den Fugen gerät, ist der Plot zur zwischen Film und Bühne angelegten hybriden Kammeroper von Davor Vincze.
Konzert-Performance mit Texten von Matin Soofipour Omam
»Wir alle haben Träume. Finden sie uns oder erfinden wir sie? Und wie verändert sich unsere Traumwelt, wenn eine Krise hereinbricht und die Realität auf den Kopf gestellt wird?« Eine Telefonzelle vor dem Theater lädt Besucher*innen ein, ihre Träume, Ängste und Sehnsüchte als Audiobotschaften einzusprechen. In spielerischer Interaktion entwickeln die vier Akteur*innen auf der Bühne aus dem gesammelten Material eine vielstimmige Komposition zwischen Gesang, Performance und Schauspiel. Gemeinsam erzählen sie eine Geschichte, die ihren Schauplatz im Unbewussten hat.
Vom 25. bis 31. Oktober 2022 findet erstmals das SPOKEN ARTS FESTIVAL in Stuttgart und der Region statt. Eine Woche lang feiert das Festival die Vielfalt und Fülle der künstlerischen Ausdrucksformen rund um das gesprochene Wort und bietet herausragenden Künstler*innen eine Bühne.
Die erste Festivalausgabe ist den 1920er-Jahren gewidmet und wird „die Strahlkraft dieser kulturellen Epoche bis in die Gegenwart der 2020er-Jahre neu beleuchten“, so der künstlerische Leiter Joachim A. Lang. Veranstalter des Festivals ist die Akademie für gesprochenes Wort in Kooperation mit zahlreichen Kulturpartnern. „Mit SPOKEN ARTS wurde ein besonderes Format geschaffen, das die Sprechkunst erstmals in einem Festival mit anderen Gattungen der Kunst zusammenführt. In dieser Form hat es das noch nicht gegeben“, betont Uta Kutter, Direktorin der Akademie für gesprochenes Wort.
Hauptspielort ist das Theaterhaus Stuttgart, außerdem bieten das Deutsche Literaturarchiv Marbach, das Kunstmuseum Stuttgart, das Literaturhaus Stuttgart sowie die Schauspielbühnen in Stuttgart Veranstaltungen an.
Aufbruch in die Moderne. 1922 ist ein Jahr von unglaublicher schöpferischer Energie: ein Wunderjahr der modernen Literatur. Eine Fülle literarischer Werke erscheint, die den Gang der Weltliteratur verändern. Quer durch Europa begleitet Norbert Hummelt Autor*innen wie James Joyce, Virginia Woolf, Rainer Maria Rilke, Katherine Mansfield und T.S. Eliotdurch ein aufregendes Schaffensjahr und fängt dabei die spannungsgeladene politische Stimmung der Zeit ein. Das Buch „1922. Wunderjahre der Worte“ ist 2022 im Luchterhand Literaturverlag erschienen.
SPOKEN ARTS FESTIVAL – „So, wie es ist, bleibt es nicht“. Festivaleröffnung mit Moderator Max Moor, direkt im Anschluss die „Zwanziger Jahre Revue“: Meret Becker, Cynthia Micas und Robert Stadlober ziehen uns in den Bann der Worte, Klänge und Ideen jener Zeit. Einen Abend lang begeben wir uns auf Zeitreise und erleben die 1920er-Jahre wie in einem Rausch. Die Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot, Stuttgarts Comedian Harmonists, Gauthier Dance und die Sängerin Malonda lassen uns eintauchen in eine Welt, die vielseitiger nicht sein könnte. Gemeinsam blicken wir auf ihre prägenden Momente, denn sicher ist: „So wie es ist, bleibt es nicht“.
Ulrich Matthes liest: „Der Prozess“: Geschrieben von Franz Kafka. Ohne Zweifel zählt er zu den einflussreichsten und zugleich rätselhaftesten Schriftstellern seiner Zeit, sein Buch zu den meistinterpretierten Texten der Weltliteratur. Die Literaturwissenschaftlerin Dr. Kristin Eichhorn hat den Roman für das Festival auf eine Bühnenfassung gekürzt. Mit seiner unverwechselbaren Stimme nimmt Ulrich Matthes uns mit in die groteske Welt des Josef K., der eines morgens aufwacht und verhaftet wird.
Ihr wird Feuer, Charme und eine elektrisierende Bühnenpräsenz nachgesagt: Die kroatische Mezzosopranistin Diana Haller gehört seit Jahren zu den Publikumslieblingen der Staatsoper Stuttgart. Beim SPOKEN ARTS FESTIVAL tritt Diana Haller mit einem besonderen Programm auf, das ganz den 1920er-Jahren gewidmet ist: Das Publikum darf gespannt sein auf Werke der beiden spanischen Komponisten Joaquín Turina und Fernando J. Obradors, auf Lieder von Hans Eisler und Richard Strauss.
Die deutschsprachige Literatur der 1920er-Jahre zeichnet sich durch große Vielfalt und ausgeprägte Experimentierfreude aus. Teils im Widerspruch zueinander, teils in atonaler Konsonanz vereint, stehen unterschiedliche Stile, Themen und Personen einander gegenüber. Die Grenzen zwischen den Künsten werden durchlässig. Literatur experimentiert mit Formen aus Radio, Film und bildender Kunst.
Kurz vor der Jahrtausendwende wurde der österreichische Regisseur Ulrich Seidl auf die junge Studentin Franziska Weisz aufmerksam und engagierte sie für sein Drama „Hundstage“. Noch im gleichen Jahr war sie auch in dem Film „Die Klavierspielerin“ des Regisseurs Michael Haneke zu sehen; die Adaption des Romans von Elfriede Jelinek wurde unter anderem für die „Goldene Palme“ nominiert. 1980 studierte die gebürtige Wienerin Entwicklungs- und Umweltpolitik, doch der Schauspielerei kehrte sie nicht vollständig den Rücken. Nach ihrem Abschluss ging sie nach Wien zurück, erhielt einige Engagements in Film und Fernsehen und zog ein knappes Jahr später nach Berlin. Ihren eigentlichen Durchbruch als Charakter-Darstellerin feierte Franziska Weisz im Jahr 2004: Für ihre Rolle der „Irene“ in dem Psychothriller „Hotel“ der Regisseurin Jessica Hausner wurde sie bei der Berlinale 2005 mit dem „European Shooting Star“ geehrt. Seit 2015 spielt sie an der Seite von Wotan Wilke-Möhring als „Tatort“-Kommissarin. Nach eigener Angabe versucht sie, „ein gesundes Gleichgewicht zwischen Fernseh- und Kinorollen“ zu halten.
Aufbruch in die Moderne. 1922 ist ein Jahr von unglaublicher schöpferischer Energie: ein Wunderjahr der modernen Literatur. Eine Fülle literarischer Werke erscheint, die den Gang der Weltliteratur verändern. Quer durch Europa begleitet Norbert Hummelt Autor*innen wie James Joyce, Virginia Woolf, Rainer Maria Rilke, Katherine Mansfield und T.S. Eliotdurch ein aufregendes Schaffensjahr und fängt dabei die spannungsgeladene politische Stimmung der Zeit ein. Das Buch „1922. Wunderjahre der Worte“ ist 2022 im Luchterhand Literaturverlag erschienen.
Kaspar Hauser, Peter Panter, Ignaz Wrobel – alle drei sind derselbe Mensch: Kurt Tucholsky. Der Journalist und Schriftsteller schrieb häufig unter Pseudonym. Für viele Jahre prägten seine Texte die Zeitschrift „Weltbühne“, die als „Wochenschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft“ eine zentrale Rolle in der deutschen Presselandschaft nach dem Ersten Weltkrieg spielte und die tiefgreifenden gesellschaftlichen und politischen Veränderungen zu Zeiten der Weimarer Republik spiegelte. Robert Stadlober verehrt Tucholsky seit langer Zeit. Als einer der vielseitigsten Charakterdarsteller im deutschsprachigen Raum, der neben Film und Fernsehen auch auf der Theaterbühne brilliert und selbst musiziert, gestaltet er den Abend als faszinierende Begegnung mit und Neuentdeckung von: Kurt Tucholsky.
Eine große Kunst von heute, die Massen begeistert, ist HipHop. Seit ihrer Gründung 2007 prägen die Orsons die deutsche Szene. Nacht, Eskalation, verschwimmende Farben …, voller Energie, wild, aber auch immer wieder nachdenklich oder sogar traurig – die Rede ist hier nicht von dem 20er-Jahre-Nachtleben, sondern von der Zusammenarbeit der vier Bandmitglieder der Orsons. Ihre Shows sorgen für das wohlige Gefühl, einen Abend voller Spaß und Party erwarten zu dürfen und schaffen es dennoch jedes Mal aufs Neue zu überraschen. Oder mit ihren eigenen Worten: „Denn Party ist nicht gleich Party und nur live ist Life.“
Langsam beginnt es zu rumoren, 6 Stimmen nehmen die Bühne ein, Künstler*innnen, besser gesagt Sprecher*innen. Mit ihnen melden sich diejenigen zu Wort, die trotz aufkeimender kunstfeindlicher Ideologien nicht leiser wurden: Kurt Tucholsky, Thomas Mann, Mascha Kaléko, Erich Kästner, Vicky Baum, Irmgard Keun und andere. Im Angesicht des Schreckens waren sie in der Lage, ironisch, böse, ehrlich und direkt zu schreiben und das nahende Grauen trotz alledem nicht aus den Augen zu verlieren. Sie nutzten das Wort in Sprache und Schrift, um laut zu sein – niemals dürfen der vergangene Schrecken und die ihn erahnenden Stimmen vergessen werden.
Die 1920er-Jahre sind bekannt für ihre wilden Party-Nächte, für Rausch, Extase, Leichtigkeit. Auch wir wollen eine Nacht lang mit Ihnen feiern! Mit Musik von damals und heute, überraschend und energetisch. Einen Abend lang öffnet das Theaterhaus alle drei Säle gleichzeitig. Das Moka Efti Orchestra, mittlerweile eine lebende Legende aus der Erfolgsserie „Babylon Berlin“, die Sängerin, Songwriterin und Elektrik Diva Malonda, die seit Jahrzehnten begeisternden Comedian Harmonists, und die stimmgewaltige Adrienne Haan – sie alle werden uns ein musikalisch vielfältiges Programm bieten. Und wer Variéte, Literatur, Tanz und Zauberkunst erleben will, der kommt beim Literaterischen Salon mit dem Sprechensemble auf seine Kosten. Für einen unvergesslichen Abend sorgt die Stimme, die zu einer ganzen Band wird: der HipHopperin und Beat-Boxerin Lia Şahin. Lassen Sie sich von dem Festival-Highlight der „Langen Nacht" und ihren Künstler*innen überraschen!
Heinrich Manns Roman „Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen“, eine bitterböse Satire über das deutsche Bürgertum der Jahrhundertwende, erschien 1905. Am 1. April 1930 feierte im Berliner Gloria-Palast „Der blaue Engel“ Premiere, eine Verfilmung des Romans und einer der frühesten Tonfilme, entstanden 1929/ 30 unter der Regie von Josef von Sternberg für die UFA. Roman und Film weichen stark voneinander ab. Heinrich Mann hatte nicht nur der Verfilmung seines Romans zugestimmt, sondern war auch mit den inhaltlichen Änderungen, die die Drehbuchautoren Robert Liebmann, Karl Gustav Vollmoeller und Carl Zuckmayer vornahmen, einverstanden. Im Mittelpunkt der gemeinsamen Veranstaltung des Deutschen Literaturarchivs Marbach und des SPOKEN ARTS FESTIVAL steht der Vergleich zwischen Heinrich Manns Roman und dem Film von Josef von Sternberg. Gerahmt wird das von Filmausschnitten begleitete Gespräch von den Liedern Lola Lolas, darunter die berühmten Songs „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ und „Ich bin die fesche Lola“, gesungen von der großartigen Künstlerin Adrienne Haan.
Als das Radio 1923 in Deutschland auf Sendung ging, war es ein monologisches Medium: Es wurden Texte gelesen und Musik gespielt. Das änderte sich erst Ende der 20er-Jahre mit dem langsamen Einzug des Gesprächs. Da die Zensur weder politische Sendungen noch die Befragung von Politikern erlaubte, wurden Gespräche mit Schriftsteller*innen zu einem beliebten Sendeformat, um unter dem Deckmantel der Kultur politische Themen zu verhandeln. Im Vortrag werden die beiden frühesten als Audiodokument erhaltenen Radiogespräche vorgestellt und (in Ausschnitten) vorgespielt.
Drei der besten Schauspieler*innen von heute widmen sich an einem einmaligen Abend der Literatur von damals: Mit Hannelore Hoger, Claudia Michelsen und Devid Striesow wird die Literatur der 1920er-Jahre ausgesprochen mannigfaltig. – Lassen Sie sich mitnehmen und inspirieren!
Die ‚Golden Zwanziger Jahre‘ waren vor allem eines: politisch! Frauenrechte, Arbeiterinnenrechte, Demokratie! Der letzte Abend des Festivals wird sich daher den großen politischen Reden der Zeit widmen. Welche Worte hallen heute noch nach? Kennen Sie die Rede der ersten Frau in einem Parlament? Marie Juchacz ging damit am 19. Februar 1919 in die Geschichte ein. Unvergesslich auch die Rede von Otto Wels am 23. März 1933 gegen das Ermächtigungsgesetz der Nazis. Anna Schudt und Joachim Król halten die Reden von damals vor einem Publikum von heute. Die Musikerin Lary wird Lieder von Marlene Dietrich performen und mit ihren eigenen Songs eine Brücke zum Heute schlagen.
„Vor vielen Jahren lebte in Zuchnow ein Mann namens Mendel Singer“, so beginnt Joseph Roths großer Roman, der im Jahr 1930 erschien, wenige Jahre bevor die Zerstörung der darin geschilderten Welt begann. Wie der biblische Hiob scheint auch Mendel Singer alles zu verlieren und bricht mit seinem Gott. Joseph Roth erzählt in einer faszinierenden Sprache, die an diejenige des Alten Testaments erinnert – mit viel jiddischem Witz. Und er erinnert damit an die zeitlosen Grundfragen des Lebens. In den heutigen Tagen erscheint dies wie eine Parabel auf die Pandemie, die Krise, die die Themen des Lebens entblöst. Martin Mühleis hat eine moderne Bühnenerzählung des Romans geschaffen. Samuel Finzi erzählt die Geschichte Mendel Singers, die Bratsche und das Akkordeon des Duos Gebrüder Glücklich verleihen ihr den Sound des Schtetls.
Dead or Alive?! heißt das erfolgreiche Format, für das drei der besten Slam-Poet*innen Deutschlands in einen Wettstreit der Worte gegen verstorbene Weltliterat*innen treten. Exklusiv werden die verstorbenen Dichter*innen unter anderem von Anna Schudt und Lary zum Leben erweckt. Theresa Reichl, Julian Heun, und Philipp Herold sind die jungen Poet*innen von heute. Können sie mit ihren Eigenwerken gegen die harte Konkurrenz aus dem Jenseits bestehen? Diese Frage können nur Sie entscheiden: Dead or Alive?!
Wer in Stuttgart könnte besser herausfinden, was die Künstler*innen, Gäste und Mitwirkende des SPOKEN ARTS FESTIVAL bewegt, als die Moderatorin Nicole Köster und der Journalist und Radiomacher Stefan Siller! Wir freuen uns auf unterhaltsame, überraschende und spannende Gespräche, jeden Tag vor oder nach den Veranstaltungen im Glashaus des Theaterhauses. Auch Ihre Fragen sind herzlich willkommen! Nutzen Sie die Chance, den Stars und Gesichtern des Festivals abseits der Bühnen nah zu sein und hinter die Kulissen zu blicken. Wer genau vors Mikro kommt, wird noch nicht verraten. Lassen Sie sich überraschen!
25. Juni bis 17. Juli 2022
4. COLOURS International Dance Festival
Presented by Eric Gauthier
Das Festival. Das Programm.
VIELFALT UND KREATIVITÄT – DIE MERCEDES-BENZ BANK UND DIE MERCEDES-BENZ AG BEWEGEN COLOURS
Gefördert von der Landeshauptstadt Stuttgart und dem Land Baden-Württemberg
Produced by Theaterhaus Stuttgart
COLOURS 2022: Das Programm im Theaterhaus Stuttgart
Für COLOURS 2022 waren zwei Anläufe notwendig. Schließlich sollte die vierte Ausgabe des größten deutschen Tanzfestivals ursprünglich 2021 über die Bühne gehen. Und so schwer uns diese Entscheidung damals fiel, die Verschiebung bedeutete auch mehr Zeit für eine vertiefte Programmplanung. Daher kann sich das Publikum auf eines verlassen: COLOURS 2022 bildet das internationale Tanzgeschehen in einer repräsentativen Auswahl ab, auf der Höhe der Zeit und in vielfältigen künstlerischen Schattierungen. Programmchef Meinrad Hubers besonderes Augenmerk gilt den neuen Perspektiven und den ungewohnten Blickwinkeln. Im Mittelpunkt steht dennoch und jederzeit das überwältigende physische Ereignis „Tanz“. Die Programmübersicht finden Sie hier.
COLOURS 2022: Das Programm open-air in Stuttgart
COLOURS bringt den Tanz zu den Menschen – nicht nur auf die Theaterhaus-Bühnen! Wie bei den drei ersten Ausgaben wollen Eric Gauthier und die Company Stuttgart bewegen: open-air und unwiderstehlich einladend. 2022 kommt ein neues Element dazu: Die Mitmach-Aktionen, die bislang fast ausnahmslos in der City stattfanden, schließen erstmals auch Stadtteile von Stuttgart ein. Wichtig zu wissen: Das Freilicht-Programm ist bewusst noch nicht finalisiert, um flexibler auf die konkreten Rahmenbedingungen im Sommer 2022 reagieren zu können.
COLOURS Playground am 25. & 26. Juni 2022
Der COLOURS Playground auf dem Schlossplatz verzauberte 2019 Tanzfans wie spontan gestimmte Passanten. Mit offenen Kursen und Präsentationen verführte sie das COLOURS-Open-Air-Studio dazu, das Tanzbein zu schwingen, bei freiem Eintritt und in den unterschiedlichsten Stilen von HipHop bis Standard. In den Abendstunden konnte man bei nostalgischen Tanztees mit Live-Musik schwelgen. 2022 wird der COLOURS Playground in Zusammenarbeit mit dem 18. Stuttgarter Kinder- und Familienfestival stattfinden. Entsprechend ist das Programm tagsüber auf die Tanzvorlieben von Kindern und Jugendlichen zugeschnitten. Abends kommen dann die Erwachsenen zum Zuge: bei atmosphärischen Tanztees auf der Großen Bühne auf der Höhe Königstraße 11-15.
Die COLOURS Pop-Up Workshops
Eric Gauthier on the road kann man bei diesem neuen Format COLOURS erleben! Mit einem umgebauten Pick-up-Truck mit Tanzfläche steuert der Chef von Gauthier Dance zentrale Plätze in den Stadtteilen an – angedacht sind der Löwenmarkt (Stuttgart-Weilimdorf), der Wilhelm-Geiger-Platz (Stuttgart-Feuerbach), der Marienplatz (Stuttgart-Süd) und der Park der Villa Berg (Stuttgart-Ost). Dass die dynamischen Pop-up-Shows die Menschen zum Mitmachen bewegen – daran dürfte bei dem mitreißenden „Vortänzer“ kein Zweifel bestehen.
Ein weiteres Ziel des bunten COLOURS-Trucks sind Schulhöfe, die Gauthier mit überraschenden Blitzauftritten in den großen Pausen aufmischen möchte. Auch dies ein Teil des MOVES FOR FUTURE-Programms, das Eric Gauthier ab April 2022 an zahlreiche Stuttgarter Bildungseinrichtungen führen wird.
COLOURS Family Day am 10. Juli 2022
Der Familiensonntag im Stuttgarter zoologisch-botanischen Garten Wilhelma ist beim Festival nicht mehr wegzudenken. Denn Eric Gauthiers Tiertänze, erklärt und vorgeführt von seinen Tänzerinnen und Tänzern, üben eine geradezu magische Anziehungskraft auf Kinder aus und verwandeln sie im Handumdrehen in tanzende Tiere. Bei seinem traditionellen COLOURS-Lieblingsortstermin hat sich der Künstlerische Leiter von Gauthier Dance vor kurzem passende zusätzliche Plätze für die Auftritte ausgesucht. Denn er hat sich vorgenommen, mehrere neue Tierchoreographien für 2022 zu entwickeln.
Das COLOURS International Dance Festival 2022 wird gefördert von der Stadt Stuttgart, dem Land Baden-Württemberg sowie dem offiziellen Hauptsponsor Mercedes-Benz Bank und der Mercedes-Benz AG.
Mercedes-Benz setzt sich im Rahmen seines gesellschaftlichen Engagements mit vielfältigen Aktivitäten für Respekt, Toleranz und Freiheit im Umfeld seiner Standorte und weltweit ein, um einen nachhaltigen Nutzen für das Gemeinwohl zu stiften. Mit dem COLOURS-Tanzfestival setzen Mercedes-Benz und die Mercedes-Benz Bank ein Signal für Vielfalt und Toleranz und zeigen, dass wirtschaftlicher Erfolg und gesellschaftliche Verantwortung auch in herausfordernden Zeiten Hand in Hand gehen können. Getreu dem Motto „We Move You“ soll es auch bei der vierten Ausgabe des Festivals wieder viele bewegende Momente für die Besucher und Besucherinnen in Stuttgart geben. Die Mercedes-Benz Bank ist seit Beginn und somit zum vierten Mal als Hauptförderer dabei. Das Unternehmen ist am Stuttgarter Pragsattel direkter Nachbar und langjähriger Partner des Theaterhauses.
Während der gesamten Festivaldauer steht das Theaterhaus-Foyer auch optisch ganz im Zeichen des Tanzes. Die Ausstellung Unfolding Bodies lässt die vergangenen beiden Spielzeiten der Theaterhaus-Company Gauthier Dance in ausgewählten Fotos Revue passieren. Impressionen von The Seven Sins stehen neben Produktionsfotos von Lieben Sie Gershwin?, The Dying Swans Project und Swan Lakes. Aufgenommen wurden die Bilder von Jeanette Bak, seit der Spielzeit 2020/21 offizielle Fotografin von Gauthier Dance. Ihre atmosphärischen Tanzfotos wurden zum Markenzeichen von Gauthier Dance und werden von den Medien erkennbar gerne als attraktive Eyecatcher eingesetzt.
Do 30.06.22 bis Sa 02.07.22
Shout, shout, let it all out! Mit einer choreographierten Hymne auf den Sound der 1980er-Jahre holt uns Emanuel Gat direkt ins pulsierende Leben. Zu den Hitklassikern des New-Wave-Duos Tears for Fears brennt hier das Lebensgefühl der bunten Epoche, als junge Menschen noch an die Zukunft glauben durften – eine utopische Zeit mit epischem Groove, als die Popmusik intellektueller und der Sound synthetisch wurde. Der israelische Choreograph mit Sitz in Südfrankreich findet sehr freie Bewegungen zu diesen Songs, lässt seine Tänzer im Rhythmus treiben oder gegen ihn zaudern, schickt sie in reliefartige Posen, durch die immer wieder ein Geist wie aus alten Gemälden weht. Der Designer Thomas Bradley, selbst als Tänzer auf der Bühne, schuf dazu fantastische Kostüme zwischen Barock, Hippies und Großstadtglamour. Wir sehen Menschen zusammentreffen und auseinanderdriften, sie geben sich einander hin und suchen doch weiter, finden Freiheit und Energie in Sowing The Seeds Of Love.
Uraufführung & COLOURS Ko-Produktion
Fröhlich hüpfen und springen die alten Männer, sie sehen aus wie Bauern vom Land mit ihren Westen und Hosenträgern. Ungelenk ist ihr Tanz, rührend in seinem puppenhaften Übermut: Sofia Nappis Stück irritiert durch den Gegensatz zwischen den runzeligen (Masken-)Gesichtern und der erstaunlichen Akrobatik ihrer Träger. Die junge Choreographin akzeptiert die Vergänglichkeit der Körper, findet Schönheit in der Unbeständigkeit unserer äußeren Hüllen. In ihrem eigenwilligen Stil setzt sie virtuose Pointen gegen eine minimalistische, unterschwellige Dynamik und lässt sich in ihrem Hang zur Groteske sowohl aus der Gaga-Lässigkeit des israelischen Tanzes wie aus der rustikalen Knorrigkeit der Nordländer inspirieren. „Ima“ bezeichnet im Japanischen den Augenblick, im Hebräischen (woher sich die in Israel ausgebildete Italienerin viele ihrer Titel leiht) steht das Wort auch für Mutter, assoziiert Geburt und Erneuerung. In Auftrag gegeben wurde das Werk 2020 von Marie Chouinard als Tanzdirektorin der Biennale von Venedig, das COLOURS International Dance Festival zeigt die Uraufführung der abendfüllenden Version. Gleich mit ihren ersten Arbeiten gewann Sofia Nappi mehrere Auszeichnungen, zuletzt 2021 den ersten Preis beim Internationalen Wettbewerb für Choreographen in Hannover.
Deutsche Erstaufführung
Acht Männer in Anzügen stehen in einer Reihe, erkunden tastend den Boden, ihre Atmung, ihre Stimmen. Ihre Fußsohlen beben, ihre Körper schwingen im Rhythmus, explodieren geradezu – auf einer leeren Bühne suchen sie in sich den Ursprung des Tanzes, die pure Essenz der Bewegung. Sie stammen aus Mali, Senegal, Burkina Faso, der Elfenbeinküste und den beiden kongolesischen Staaten, vom Hip-Hop über afrikanische Folklore bis zum zeitgenössischen Tanz bringen sie die unterschiedlichsten Stile und Kulturen mit. „Omma“ heißt im Altgriechischen nicht nur „Auge“, sondern bezeichnet auch das, worauf geblickt wird: Um in sein eigenes Inneres zu schauen, fasst der Choreograph Josef Nadj, mit seinen ungarisch-serbischen Wurzeln und Residenz in Frankreich ein Europäer durch und durch, diese fremde Kultur ins Auge. Omma ist eine Geschichte des Teilens und Übertragens, immer wieder geht das Individuum im überwältigenden Chor der Gemeinschaft auf und doch bewahrt jeder Tänzer seine eigene Sprache und seine Identität.
Was Salvador Dalí für die Malerei und Luis Buñuel für den Film waren, das ist ihr Landsmann Marcos Morau für den Tanz: Seine Stücke zeigen surreale Bilder von fremdartiger Schönheit, symbolträchtige Welten aus Bewegung, Kunst, Architektur, Text und Musik. Sein neuestes Werk ist von den Prozessionen seines Heimatlandes Spanien inspiriert und versetzt sie in eine Art Filmstudio, wo ein fantastischer Mikrokosmos aus Buñuel und kirchlichen Riten, gesichtslosen Figuren und Seligsprechungen entsteht. Debussy und Wagner klingen leise herein, aus grotesken Greisinnen werden unschuldige Mädchen, die den Mond hereintragen, das tiefe Schwarz der Trauerzüge wandelt sich in das strahlend helle Licht leerer Leinwände. Frauen gleiten wie aufgezogene Puppen über die Bühne, ein rein weibliches Kollektiv strebt aus der Tradition in die Moderne, befreit sich mit lauten Trommelschlägen und Schreien aus den Fesseln des Konformismus. Das Wort Sonoma findet sich in keinem Wörterbuch, es setzt sich aus dem griechischen Wort Soma (Körper) und dem lateinischen Sonum (Klang) zusammen – La Veronal zeigt klingende, vor Energie vibrierende Körper.
Deutsche Erstaufführung
Dieser Tanz hebt das Zeitgefühl auf: Auf alle nur möglichen Arten kreisen die Tänzer um einander, sinken in Spiralen, drehen sich und ihre Partner in einem freien Fluss weicher, sanfter Bewegung. Guy Nader und Maria Campos setzen sich mit dem Konzept der Zeit auseinander, verzögern und beschleunigen sie durch ihre Choreografie und stellen unsere gewohnte Wahrnehmung in Frage. Die fast hypnotische Mischung aus zeitgenössischem Stil und einer ruhigen Akrobatik greift Assoziationen aus HipHop und Kampfkunst auf, sie wird zum Sinnbild für den repetitiven Charakter des Lebens und zeigt gleichzeitig, wie stark eine neue Dynamik die Bilder verändern kann. „Set of Sets“ fordert ständig die Schwerkraft heraus, wirft oder kippt die Tänzer in die Waagrechte, lässt sie an der Grenze des körperlichen Möglichen in der Luft schweben. Zur fesselnden, in den Sog hineinziehenden Live-Musik des Schlagwerkers Miguel Marín tanzen irgendwann selbst die Schatten an der Wand… Die Spanierin Maria Campos und der Libanese Guy Nader arbeiten mit ihrer Kompanie in Barcelona, 2017 wurden die beiden Choreografen für eine Uraufführung am Theater Mainz mit dem Deutschen Theaterpreis Der Faust ausgezeichnet.
Der Handybildschirm seines Sohnes zeigt Einhörner in Pink. Als er selbst Teenager war, hielt der Tänzer Alexis Fernández den größtmöglichen Abstand zu allem, was rosarot war – wie soll er die Jugend von heute verstehen, die Generation Z und die Post-Millenials, die mitten in den Technologie-Boom geboren wurden und durch ihre Abhängigkeit von digitalen Geräten angeblich sozialgestört sind? Um es herauszufinden, holt der Kubaner seinen Filius auf die Bühne, der in Sachen Coolness, Charme und kubanischer Lebensfreude seinem Vater in nichts nachsteht und tanzt mit ihm ein Stück über die turbulente Zeit, in der Eltern plötzlich peinlich und Söhne größer als ihre Väter werden.
"Ich habe an einem kurzen Abend nicht mehr so gelacht, geweint, gekichert, geschluchzt und mich auf jegliche Weise emotional verausgabt, seit ich mein erstes Marihuana an der Uni ausprobierte." — Post Paris Fashion
Ein junger Grieche will tanzen, zieht von seiner Insel in die Hauptstadt und von dort ins Herz Europas. Er lernt bei den Großen des zeitgenössischen Balletts und beginnt bald selbst zu choreografieren, entwickelt einen eigenwilligen, aufregenden Stil, einen atemlosen Hochgeschwindigkeitstanz. Jeden Sommer aber kehrt Andonis Foniadakis auf seine Heimatinsel Kreta zurück – und jetzt holt er die ersten Tänze, die er in seinem Leben gesehen hat, auf eine Reise in die Moderne, lässt seine moderne, schnelle Tanzsprache von ihrer Schönheit und den sprungkräftigen Rhythmen inspirieren. Vom Stolz des Pentozalis zum Beispiel, den die wehrhaften Kreter einst bei ihrer Revolution gegen die osmanischen Herrscher so wild tanzten, dass sie für Dämonen gehalten wurden. Vier Musiker und Komponist Paris Perisinakis begleiten die Tänzer live auf traditionellen Instrumenten. „Salema“ meint ein Erbeben und ein Schütteln des Körpers, symbolisch auch das Zittern des Geistes im Wahnsinn. Wo Tradition auf Moderne trifft und Erinnerung auf Abstraktion, da beginnt eine mystische Reise aus dem alten Kreta in die spannende Gegenwart der Hellenen.
Deutsche Erstaufführung
Mit einem brandneuen Stück und zwei Klassikern kehrt die Legende nach Stuttgart zurück. Vor zwei Jahren feierte das Nederlands Dans Theater sein 60-jähriges Bestehen, auch unter der neuen Direktorin Emily Molnar geht diese berühmteste aller modernen Ballettkompanien unbeirrbar weiter ihren Weg: Sie zeigt so viele Uraufführungen wie nur möglich, entdeckt Choreographen und macht viele von ihnen zu Klassikern. William Forsythe, den radikalsten unter den Balletterneuerern, ehrt das NDT in dieser Spielzeit mit einem dreiteiligen Abend. Zwanzig Metalltische rasen in One Flat Thing, reproduced donnernd aufs Publikum zu – inspiriert von treibenden Eisbergen lässt Forsythe die Tänzer gefährlich über die Kanten schwingen, setzt wilde und riskante Bewegung gegen die geometrisch-starre Ordnung. Unendlich traurige Geister treffen wir in Marco Goeckes neuestem Werk fürs NDT: In I love you, ghosts erinnern sie sich an vergangene Ballette, früheres Leid. Grotesk, manchmal maschinenhaft pulsieren die schrillen Stücke der israelischen Choreographin Sharon Eyal. Bedroom Folk, entstanden in Zusammenarbeit mit Eyals Partner Gai Behar, bricht hypnotische Faszination durch ironisches Lachen – bei COLOURS zu erleben in einer Version, die so noch nie in Deutschland zu sehen war.
Deutsche Erstaufführung
Bits und Bytes flimmern im kalten Licht, dazwischen bewegen sich warme, wilde, expressive Körper: Der Brite Alexander Whitley, führender Technologie-Freak unter den Choreographen, tanzt durch digitale Welten und will wissen, was nach den Menschen kommt. Ist Leben ohne direktes Erleben möglich, können wir außerhalb unseres Körpers existieren? Kann man den Inhalt eines Gehirns auf einen Computerchip bannen? Die Pandemie hat die Digitalisierung unseres sozialen Zusammenlebens beschleunigt, Großkonzerne gründen virtuelle Welten und unsere körperliche Erfahrung wird dematerialisiert. Anti-Body untersucht, ob wir Menschen unsere Einzigartigkeit bewahren können oder irgendwann in einem Universum aus Algorithmen aufgehen. Motion-Capture-Punkte auf den Körpern der Tänzer*innen projizieren sie direkt in die virtuelle Welt, verfremden und überhöhen ihre Bewegungen – als Avatare zerstäuben die Menschen in einer Schönheit, die unheimlich ist…
Wir alle haben unterschiedliche Vorstellungen von Schönheit. Anne Nguyen öffnet unsere Augen weit für eine andere Wahrnehmung, für eine neue Ästhetik. À mon bel amour zeigt verschiedenste Tanzarten vom coolen Streetdance bis zum hochartifiziellen Ballett. In einem virtuosen Defilee buhlen vier Frauen und vier Männer regelrecht um unsere Bewunderung, steuern durch Lichtblitze unermüdlich auf uns zu und bringen in ihrem ganz persönlichen Tanzstil ihre Identität zum Ausdruck. Ob in zeitgenössischer Moderne, in den roboterartigen Moves von Popping und Locking, im wild-bizarren Krumping mit seinen Geschichten von Frust oder Gebet, im Waacking mit seinen rhythmisch fliegenden Armen oder im eleganten Voguing mit den Posen vom Laufsteg: Ich zeige der Welt, wer ich sein will, sagen uns die Tänzer.
Berühmt geworden ist sie mit radikalen Neuinterpretationen von Schwanensee oder Carmen – jetzt ließ sich die Südafrikanerin von Le Sacre du printemps inspirieren, einem der skandalträchtigsten Ballette der Theatergeschichte. „Was opfern wir in unserem täglichen Leben?“, fragt sich Dada Masilo und spannt in ihrer eigenwilligen Version den Bogen von beschwörenden, lebensbejahenden Riten bis zur Opferbereitschaft einer Einzelnen, einem sanften und tieftraurigen Abschied. Auch in diesem Stück geht es um schwarze Identität, um Gewalt gegen Frauen und Gerechtigkeit, die Choreographin und ihre Tänzerinnen und Tänzer finden im traditionellen Tswana-Tanz aus Botswana kraftvolle, authentische Bewegungen. Die Musik erklingt live und changiert zwischen afrikanischer Percussion, Folkrhythmen und einer einsamen Klage. Auch bei diesem Thema eröffnet uns Dada Masilo mit ihrem Blick von jenseits des Äquators völlig neue Aspekte.
Vier Frauen sitzen an einer langen Tafel, ein ländlicher Kopfschmuck aus Früchten und Blumen ziert ihre Köpfe. In reinster, vierstimmiger Harmonie singen sie ein altes Lied vom Kuckuck, verschmitzt tanzen ihre Gesichter dazu. Ihre geflochtenen Haare aber sind an großen Äxten und Sicheln festgemacht, wie Marionetten hängen die vier an Seilen… In einer Serie erstaunlicher Assoziationen zeigt Flora Détraz groteske Metamorphosen der Weiblichkeit, so verspielt wie verstörend. Zwischen dem Schönklang der Stimmen und den zunehmend makaber werdenden Bildern entsteht eine kolossale Verunsicherung, ein ständiger Seiltanz zwischen Freude und Entsetzen, archaischer Symbolik und entfesselten Körpern. In ihren Werken erforscht die junge Choreografin, die selbst mit am Tisch sitzt, die Beziehung zwischen Stimme und Bewegung, hier ist die Freude ihr Thema: als existenzielle Äußerung, als resolute Widerstandskraft und als unendliches Reservoir, aus dem heraus der Mensch kreativ wird. „Muyte Maker” ist flämisch und bezeichnet Meuterer, aber auch einen Vogelkäfig; der doppeldeutige Titel evoziert sowohl Gefangenschaft wie Befreiung.
Sein Stück ist für die Menschen ohne Stimme, sagt Choreograph Botis Seva, „für alle, die in sich gefangen sind, selbst wenn ihr Herz ihnen sagt, dass es Liebe finden will.“ In dunklen Bildern erzählt er vom Erwachsenwerden, von Frust, Zorn und Depression; Humor und Momente größter Zartheit erinnern an eine sorglose Kindheit. Warum kommt Gewalt ins Leben, wenn man erwachsen wird, ist sie von klein an in uns angelegt? Können die harten jungen Männer das Kind in sich behalten, es in die raue Welt da draußen hinüberretten? In einer Mischung aus HipHop und freien Formen entbrennt ein wilder Kampf, gegeneinander und gegen sich selbst…
Deutsche Erstaufführung & COLOURS-Koproduktion
Durch HipHop zum Preisgewinner bei der Avantgarde-Choreographie: Muhammed Kaltuk ist der Shooting-Star des zeitgenössischen „Urban“ Dance, sein Stil die authentische Tanzsprache einer jungen, aktivistischen Generation. Er bringt Breaking vom virtuosen Battle und der Clubkultur auf die Bühne, bringt in den unendlich vielfältigen Formen des Streetdance die verschiedenen Realitäten der jungen Menschen ins Theater, zeigt die Wut der Proteste und die Ohnmacht der fehlenden Mitsprache. Father Politics demaskiert die Angeber-Posen der aalglatten Politstars, das Stück zeigt den Abgrund zwischen lächelnder Fassade und innerer Korruption, die Definition von Menschen allein über ihr Äußeres, die neue Hetze gegen alles Fremde.
Die brutale Reise des Herzens endet mit Trennung und Heilung: Chapter 3 beschließt eine Trilogie über die Liebe, deren Anfang OCD Love beim allerersten COLOURS International Dance Festival 2015 seine umjubelte Uraufführung feierte. Seitdem ist die Choreographin Sharon Eyal mit ihrem unverkennbaren Stil zu einer international begehrten Ikone des modernen Balletts geworden, mit ihrer hypnotischen Mixtur aus Matrix und daraus ausbrechendem Individuum, mit ihrem berühmten Trippeln auf halber Spitze, dem sinnlichen Mäandern der Bewegungen. Nach der Besessenheit der Liebe und ihrem Zerbrechen geht es in diesem Stück um das Heilen der Wunde, um Prozesse des Reparierens und Neuzusammenfügens, das Wiederfinden der Leichtigkeit. Wie ein großes, pulsierendes Herz fängt die Gruppe den Einzelnen auf, die Gemeinschaft tröstet ihn – blutrot schlägt das Symbol des Herzens auch auf den Kostümen. Wie filigrane Körpertätowierungen wirken die alten, symbolträchtigen Kupferstiche, die Dior-Chefdesignerin Maria Grazia Chiuri auf die Trikots gezeichnet hat. Schlagzeuger und DJ Ori Lichtik bereitet Eyal und ihrem künstlerischen Partner Gai Behar auch hier wieder einen pulsierenden Klangteppich aus Technobeats, in denen Salsa, Blues und afrikanische Rhythmen aufgehen.
Gauthier Dance rockt wieder die Sporthalle im Theaterhaus: Genau wie beim letzten COLOURS-Festival wird dort Kamuyot gezeigt, Ohad Naharins verrückt-geniales Fest des Tanzes. Ganz dicht am Zuschauer tobt der unbekümmerte Stilmix von Ballett bis Disco. Zu einer bunten Collage von Reggae, Klezmer, Heavy Metal bis Klassik entstand das Stück beim israelischen Batsheva Ensemble eigentlich für junge Zuschauer, entpuppte sich aber rasch als Einstieg für alle, die Naharins Arbeiten kennen lernen möchten.